Terre des Hommes - Backstage

  • 20.03.2016

  • Vocation China - Berufene für China

    Seit November 2013 ist A. Gradert Mitglied bei terre des hommes. Die Volkswirtin und Sinologin hat mehrere Jahre in China gelebt und gearbeitet. Was würde da näher liegen als die Projektgruppe Südostasien zu unterstützen? Warum sie für diesen Kulturraum brennt und weshalb ihr das Engagement bei terre des hommes wichtig ist: Davon erzählt sie im Interview.

    Warum fasziniert Dich China und was hast Du für Deine persönliche Entwicklung aus diesem Land mitgenommen?

    Zur Sinologie bin ich erst nach dem Abitur durch mein Interesse an der chinesischen Schrift gekommen. Bekannte hatten damals befreundete Chinesen zu Besuch, die mir erste Schriftzeichen erklärten. Bloßer Zufall? Chinesen bringen ja eine gewisse Schicksalsgläubigkeit mit …  

    Nach einem ersten Jahr an der Uni Kiel war mein Sprachaufenthalt im Sommer 1995 in Peking die Initialzündung für die tiefe Faszination, die mich seitdem mit China verbindet. Mir liegen die Fröhlichkeit, Neugierde und Gastfreundschaft der Chinesen, die eine sehr große Offenheit und auch Direktheit mitbringen. Zugleich besitzen sie eine tiefe Intuition für zwischenmenschliche Situationen - Deutsche kommen mir dagegen oft wie Elefanten im Porzellanladen vor! In China ist man sehr schnell Teil einer Gruppe, und eine gute chinesische Freundin sagte einmal zu mir: »Zhongguo hen shihe ni 中国很适合你 – China entspricht Deinem Wesen!«. 

    Seitdem habe ich mehrere Jahre in Peking und Shanghai verbracht, in Praktika oder festen Positionen bei deutschen Firmen. Auch Reisen in China sind nicht zu kurz gekommen. Dabei sind mir stets die interkulturellen Herausforderungen bewusst geworden, die ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg jedes China-Engagements sind. Vor diesem Hintergrund bin ich seit 2009 mit »VOCATION 井 CHINA in Audit, Analyse und Lösungsfindung kritischer Unternehmenssituationen« selbständig aktiv.
    Doch auch meine Freude an der chinesischen Sprache ist geblieben: Als Vereidigte Sprachmittlerin übersetzte und verdolmetsche ich Texte aus Wirtschaft, Technik und Recht. Vermutlich bin ich inzwischen ein echter Zhongguo tong 中国通, eine Chinakennererin.

    Nachdem Du aus China nach Deutschland zurückgekehrt bist, hast Du begonnen, Dich für terre des hommes zu interessieren. Wie kam es dazu?

    Durch meinen Chinabezug liegt mir generell die asiatische Mentalität. Beruflich wie privat war ich schon in Malaysia, Südkorea und der Mongolei unterwegs. Nachrichten aus der Region verfolge ich stetig mit, sodass mir 2013 das Sweetie-Projekt von terrre des hommes Niederlande auffiel: Die Kollegen dort hatten die virtuelle, computeranimierte Identität eines 10-jährigen Mädchens von den Philippinen mit dem schönen Namen Sweetie geschaffen. Ihnen gelang es in mehrmonatigen Chats, die wahren Identitäten von etwa 1000 pädosexuellen Männern herauszufinden, die Sweetie im Sexchat gefolgt waren, und dieses Dossier Interpol zu übergeben. Das Tragische an der Situation ist, dass viele Eltern in den betroffenen asiatischen Ländern ihre Kinder selbst in derlei durchaus einträglichen virtuellen Sexchats vermarkten, in der Annahme, dass dies weniger schädlich sei als persönlicher Sextourismus. Die psychologische Komponente für die Kinderseelen ist ihnen dabei anscheindend nicht bewusst. 

    Du bist schon einige Zeit Mitglied bei terre des hommes. Vor kurzem hattest Du Dein erstes Treffen mit der Projektgruppe Südostasien. Was habt Ihr aktuell und in nächster Zeit vor?

    Ja, endlich habe ich es zur ÜTAG Südostasien geschafft! Das Treffen hat mir einen sehr guten Eindruck der Gruppe und ihrer Aktivitäten vermittelt. Der gerade neu hinzugekommene Referent für Programmkoordination Süd- und Südostasien vorgestellt. Es gibt sogar einige Parallelen zwischen unseren Lebensläufen!

    Unter anderem standen Laos und Myanmar im Fokus, mit einem Vortrag von Studenten der Partnerorganisation »Weltwärts« und vom Referenten selbst zum Thema der Streubomben. Einblicke in die Landeskulturen und den kulturspezifischen Umgang mit den Themen kamen dabei nicht zu kurz. Zudem stellte die Referentin der Gemeinschaftsstiftung terre des hommes die Wasserausstellung der Stiftung vor, die auch Südostasienprojekte umfasst. Zum Ausklang gab es einen Film zur Schulbildung der Orang Rimba, Dschungelmenschen in Indonesien, deren natürlicher Lebensraum durch die Abholzung der Wälder schwindet. 

    Persönlich fasziniert mich die breite Palette der terre des hommes-Projekte in Myanmar (Burma), Indonesien, Kambodscha, Laos, den Philippinen, Thailand und Vietnam. Es gibt sogar eine eigene Homepage der Arbeitsgruppe:

    http://www.tdh-suedostasien.de/wp

    Wie es einem guten Dutzend hiesiger Aktiver seit vielen Jahren gelingt, diese Projekte auszubauen und zu unterstützen, finde ich bemerkenswert! Die im Herbst 2016 anstehende Asienreise wird hierzu weiter beitragen. Dabei kommt natürlich auch den Partnerorganisationen vor Ort eine tragende Rolle zu, da sie mit den kulturellen Gegebenheiten bestens vertraut sind.

    Last but not least wurde die neue Publikation der ÜTAG vorgestellt, »Communicating Project Outcomes«. Einen Schwerpunkt nimmt dabei das Projekt »Our Rivers, Our Live« ein, in dem 3600 Kinder in 66 Communities aller sieben Projektländer aktiv sind im Schutz der Flüsse und ihrer Bedeutung für das Leben vor Ort. 

    Persönlich mache ich in den sozialen Netzwerken regelmäßig auf Projekte von terre des hommes aufmerksam. Der Südostasien-Gruppe werde ich treu bleiben: Sie ermöglicht mir Einblicke in die Region, die vom »business as usual« dortiger Geschäftswelten meilenweit entfernt ist. Doch gerade ein solcher Zugang offenbart das authentische Leben vor Ort – was ich auch in China kennen- und schätzen gelernt habe.  

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