Court Interpreting - Gerichtsdolmetschen

  • 01.11.2014

  • Gerichtsdolmetschen ist eine der anspruchsvollsten sprachlichen Übertragungen überhaupt.

    Ein sprachliches ‚Vom-Blatt-Singen‘ ist schlechterdings unmöglich, da der Dolmetscher bei Gericht für verschiedenste zivil- und strafrechtliche Thematiken zuständig ist. Diese erfordern eine entsprechende Vorbereitung.

    Für das Chinesische kommen kulturell geprägte kommunikative Unterschiede hinzu, die erfahrungsgemäß einen entscheidenden Einfluss nehmen.

    • Der Dolmetscher kann  n i c h t  alleinig das Verständnis der komplexen rechtlichen Sachverhalte, das im Gerichtssaal kommuniziert wird, bei der chinesischen Seite voraussetzen oder gar gewährleisten – dieses kann nur in steter Ab- und Rücksprache mit den juristischen Vertretern, Richtern und Staatsanwalt erfolgen.

    # AUDIT

    Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwälte und Mandanten sind meist seit Monaten mit allen Details der Materie befasst. Der Dolmetscher hingegen wird erst wenige Wochen, teils auch Tage zuvor bestellt, eine Akteneinsicht ist im Vorfeld nur selten möglich.

    Die Herkunft der Chinesen ist zur Einschätzung des ihrerseits zu erwartenden Verständnisses von entscheidender Bedeutung.

    Oft entstammen die Chinesen einem einfacheren Bildungsniveau, das auch länderbezogen anders ausgeprägt ist. Selbst mit dem Recht des Geburtslandes sind sie teils nur rudimentär vertraut, oder es besitzt dort eine andere Wertigkeit als in Deutschland. In Deutschland bewegen sie sich somit letztlich in völlig fremdem Rechtsgebiet.

    Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die chinesische Seite im Vorfeld alle ihr unklaren Fragen direkt und eigeninitiativ ihrem Anwalt stellt. Oft werden diese mit in die Verhandlung gebracht oder dort erneut aufgerollt.

    Die Dauer der Verdolmetschung ist ein weiterer zentraler Punkt. Das gewöhnlich bei Gericht praktizierte Konsekutivdolmetschen nimmt doppelt so viel Zeit ein wie eine einsprachige Verhandlung.

    # SOLUTION

    Als Allgemeine Beeidigte Dolmetscherin gehe ich generell davon aus, dass Rechtsfragen und deren Inhalte idealerweise im Vorfeld zwischen Anwalt und Mandant geklärt worden sind und der chinesische Mandant mit den Details der Thematik vertraut ist.

    • Die inhaltliche, d.i. juristische Klärung dessen liegt beim Anwalt, n i c h t  beim neutral vom Gericht bestellten Dolmetscher!

    Falls dies nicht der Fall ist, sollte der Anwalt bei aufkommenden Fragen seines Mandanten in der Verhandlung diese sofort und unverzüglich dem Sprachmittler zur Klärung mitteilen. Anschließend kann der Dolmetscher seine vermittelnde Rolle zur Klärung der konkret aufkommenden juristischen Fachfragen wahrnehmen. Diese sollten seitens aller Beteiligten immer zeitnah gestellt werden

    Nur so kann der Eindruck vermieden werden, dass der Dolmetscher "unverständlich" übertrage.

    • Frage ist dabei immer, ob sprachliche oder inhaltliche Unverständlichkeit gemeint ist.

    Erfahrungsgemäß ergibt sich das Unverständnis seitens der Chinesen meist aus der Komplexität des juristischen Sachverhalts. Die notwendige Zeit für solche Rückfragen und deren Klärung ist bei Planung der Verhandlungszeit einzubeziehen.

    • Nicht-Verstehen kann auch Nicht-Begreifen heißen.

    Falls chinesische Schriftzeichen unbekannt sind – mündlich oder schriftlich –, sind diese auch nicht herleitbar und müssen von der chinesischen Seite erläutert werden. Eine sinologische Studie belegt zudem, dass das Ablesen chinesischer Texte deutlich mehr Zeit erfordert als das freie Sprechen, da die Lesefähigkeit im Studium am wenigsten ausgeprägt wird.

    • Existente chinesische Texte sollten daher idealerweise vorher dem Dolmetscher vorliegen, was ihm die Arbeit um vieles erleichtert.

    Dolmetschen stellt zudem eine intensive geistige Tätigkeit dar, auch in der steten Einfühlung des Dolmetschers in beide Kulturkreise. Den notwendigen Pausen für den Dolmetscher ist daher Rechnung zu tragen.

    Als Allgemeine Beeidigte Dolmetscherin des Chinesischen weise ich im Vorfeld stets auf diese Spezifika eines Gerichtsdolmetschens hin, um Missverständnissen vorzubeugen und die Voraussetzungen des Einsatzes fallbezogen zu optimieren.

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